Am Abend des 21. Februar 1999 gehen insgesamt fünf Lawinen auf Evolène nieder. (Bild: SRF)

Der Lawinenwinter 1999 zählt zu den schneereichsten und katastrophalsten Wintern in der Geschichte der Alpen. Er brachte unvorstellbare Schneemassen, die zu verheerenden Lawinen führten.

Der Lawinenwinter 1999: Ursachen, Katastrophen und Konsequenzen

Der Lawinenwinter 1999 markiert eine der schwersten Naturkatastrophen, die die Alpen je heimgesucht haben. Innert weniger Wochen fielen extreme Schneemengen, die mehrere Alpenregionen unter einer meterhohen Schneedecke begruben. Diese aussergewöhnlichen Wetterverhältnisse führten zu Lawinenkatastrophen, die das Leben vieler Menschen forderten, ganze Dörfer zerstörten und die Infrastruktur stark beeinträchtigten. In diesem umfassenden Bericht untersuchen wir die Ursachen, die Auswirkungen und die Lehren, die aus dieser Naturkatastrophe gezogen wurden.

In der letzten der drei Perioden vom 17. bis am 25. Februar 1999 fallen in Elm (oberhalb vom Dorf auf knapp 1700 m. ü. M) 447 Zentimeter Schnee.(Bild: Keystone)

Wie es zum Lawinenwinter kam

Der Winter 1999 begann wie viele andere, doch bereits im Januar fielen in den Alpenregionen rekordverdächtige Schneemengen. Verschiedene meteorologische Bedingungen begünstigten die aussergewöhnlich hohen Niederschläge: Ein starkes Tiefdruckgebiet über dem Atlantik brachte kalte Luftmassen in die Region, während feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum heranströmte. Diese Kombination führte zu intensiven und anhaltenden Schneefällen, die bis zu 5 Meter Neuschnee in höher gelegenen Regionen brachten. Am meisten Schnee fällt in der Schweiz im Winter 1999 im Skigebiet von Elm. Zwischen dem 27. Januar und dem 25. Februar 1999 sorgen drei langanhaltende Nordwest-Staulagen am Alpennordhang für ergiebige Niederschläge. In der letzten der drei Perioden vom 17. bis am 25. Februar 1999 fallen in Elm (knapp 1700 m. ü. M) 447 Zentimeter Schnee.

Besonders der Zeitraum zwischen Mitte Januar und Ende Februar 1999 war von extremer Schneemenge geprägt. In vielen Gebieten wie im Schweizer Wallis, in Graubünden und in Tirol stieg die Schneedecke so stark an, dass eine Lawinengefahr von historischem Ausmass entstand. Starke Winde und Temperaturschwankungen trugen dazu bei, dass sich instabile Schneeschichten bildeten, die das Risiko von grossflächigen Lawinenabgängen massiv erhöhten.

Die Mechanik hinter den Lawinen

Lawinen entstehen, wenn eine Schneeschicht an einem Berghang ins Rutschen gerät. Dies geschieht, wenn die darunterliegenden Schneeschichten instabil werden oder durch äussere Einflüsse wie Wind oder zusätzliche Schneemassen überlastet werden. Im Winter 1999 waren die Schneeverhältnisse besonders gefährlich. Durch die stark schwankenden Temperaturen bildeten sich an der Schneedecke sogenannte „Schmelzkrusten“, welche eine weiche, rutschige Oberfläche darstellten. Diese Schichten führten in Kombination mit den massiven Schneemengen zu einer kritischen Instabilität.

Besonders gefährlich waren die sogenannten „Schneebretter“, grossflächige Schneemassen, die sich plötzlich und ohne Vorwarnung vom Berghang lösten und mit rasender Geschwindigkeit ins Tal stürzten. Diese Lawinenarten entwickelten eine verheerende Zerstörungskraft, die besonders in Regionen wie Galtür und Davos spürbar war.

Ein Bild der Verwüstung zeigt sich nach dem schweren Lawinenunglück in Galtür am 23. Februar 1999. (Bild: dpa)

Galtür: Der schlimmste Lawinenabgang

Der Höhepunkt der Katastrophe ereignete sich am 23. Februar 1999, als das Dorf Galtür in Tirol von einer gigantischen Lawine heimgesucht wurde. Das Dorf lag bereits seit Wochen unter einer dicken Schneedecke, und die Behörden hatten bereits Evakuierungen erwogen. Doch die Natur schlug schneller zu: Eine riesige Schneemasse von rund 170’000 Tonnen löste sich vom Berg und raste mit über 300 km/h ins Tal. Die Lawine erreichte das Dorf in wenigen Sekunden und begrub mehrere Gebäude unter sich.

Insgesamt forderte die Lawine in Galtür 31 Menschenleben, darunter Einwohner und Touristen. Die Auswirkungen waren verheerend: Häuser wurden zerstört, und Rettungskräfte kämpften gegen die eisigen Temperaturen und die drohenden weiteren Lawinen, um Überlebende zu bergen.

Auch in anderen Regionen Österreichs und der Schweiz ereigneten sich dramatische Szenen. Im Schweizer Dorf Evolène im Kanton Wallis wurden am 21. Februar mehrere Häuser von einer Lawine zerstört, wobei acht Menschen ums Leben kamen. Diese Ereignisse markierten den Höhepunkt eines ohnehin katastrophalen Winters.

Auswirkungen auf die Infrastruktur

Der Lawinenwinter 1999 brachte das Verkehrsnetz in weiten Teilen der Alpenregion zum Erliegen. Strassen, Bahnstrecken und Skipisten waren durch die Schneemassen unpassierbar. Besonders betroffen waren Regionen wie das Wallis, Graubünden, Vorarlberg und Tirol. In vielen Dörfern waren die Bewohner tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten, da weder Fahrzeuge noch Rettungskräfte die eingeschneiten Gebiete erreichen konnten.

Einige der bekanntesten Alpenpässe wie der Gotthardpass, der Furkapass und der Simplonpass waren bereits seit Dezember aufgrund der Schneeverhältnisse gesperrt. Die Verkehrsinfrastruktur war in vielen Gebieten vollständig überfordert, und es wurden zahlreiche Evakuierungen notwendig, um die Bewohner vor den drohenden Lawinen zu schützen. Rettungskräfte der Armee und zivile Organisationen waren im Dauereinsatz, um Strassen freizuräumen, Lawinenschutzbauten zu verstärken und verschüttete Menschen zu bergen.

Auch der Tourismus, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in den Alpen, war stark betroffen. Viele Skigebiete mussten ihre Anlagen vorübergehend schliessen, da die Gefahr von Lawinen zu gross war. Skipisten wurden in vielen Orten aus Sicherheitsgründen gesperrt, und die Hotels verzeichneten zahlreiche Stornierungen. Die wirtschaftlichen Verluste waren enorm, und der Lawinenwinter 1999 hinterliess tiefe Spuren in der Tourismusbranche.

Evakuierungen und Rettungseinsätze

In den Wochen des Lawinenwinters 1999 waren Evakuierungen an der Tagesordnung. Besonders in den am stärksten gefährdeten Gebieten wie dem Wallis, Graubünden und Tirol ordneten die Behörden die Evakuierung ganzer Dörfer an. In Galtür wurde die Evakuierung nach der Katastrophe mit Hilfe von Hubschraubern durchgeführt, da Strassen und Zugverbindungen unpassierbar waren. Auch in der Schweiz wurden mehrere Ortschaften evakuiert, insbesondere in den Regionen, wo die Lawinengefahr als extrem eingestuft wurde.

Die Rettungseinsätze gestalteten sich oft äusserst schwierig. Viele Dörfer lagen unter mehreren Metern Schnee begraben, was die Bergungsarbeiten erheblich erschwerte. Zudem mussten die Rettungskräfte unter ständigem Risiko arbeiten, da die Gefahr weiterer Lawinenabgänge bestand. Besonders dramatisch war die Situation in Galtür, wo die Einsatzkräfte unter widrigsten Bedingungen Überlebende suchten.

Es gab zahlreiche heroische Rettungseinsätze, doch in vielen Fällen kam jede Hilfe zu spät. Die Zeit war ein kritischer Faktor, da Verschüttete oft nur wenige Stunden unter den Schneemassen überleben können. Trotz aller Anstrengungen der Rettungskräfte konnten viele Opfer nur noch tot geborgen werden.

Die Lehren aus dem Lawinenwinter

Nach den tragischen Ereignissen des Lawinenwinters 1999 ergriffen die betroffenen Regionen weitreichende Massnahmen, um die Lawinensicherheit zu verbessern. In der Schweiz, Österreich und Italien wurden zahlreiche neue Schutzbauten errichtet, darunter Lawinengalerien, Schutzdämme und Verbauungen, die gefährdete Gebiete sichern sollen. Diese baulichen Massnahmen sollen künftig verhindern, dass Lawinen unkontrolliert in Siedlungsgebiete und auf Verkehrswege treffen.

Ein weiterer wichtiger Schritt war die Verbesserung der Lawinenvorhersage. Mit moderner Technologie und präziseren Wettermodellen konnten seither die Warnsysteme deutlich verbessert werden. Die Einführung eines standardisierten Lawinenbulletins in vielen Alpenländern trug dazu bei, dass gefährdete Gebiete schneller evakuiert und Reisende besser gewarnt werden konnten. Auch kontrollierte Lawinensprengungen, die durchgeführt werden, um gefährliche Schneebretter gezielt auszulösen, wurden seitdem verstärkt.

Insgesamt wurden Milliarden investiert, um die Alpenregion besser gegen Lawinen zu schützen. Die Ereignisse des Winters 1999 haben gezeigt, dass die Alpen eine Region sind, die durch den Klimawandel und zunehmende Extremwetterereignisse weiterhin stark gefährdet bleibt.

Die verheerende Lawine vom 23. Februar 1999 in Galtür. (Bild: ORF)

Klimawandel und Lawinengefahr

Der Lawinenwinter 1999 wird oft im Kontext des Klimawandels diskutiert, da er aufzeigt, wie anfällig die Alpenregion für klimatische Veränderungen ist. Während extreme Schneemengen in höheren Lagen im Winter zunehmen, steigen gleichzeitig die Temperaturen in tieferen Regionen, was die Bedingungen für die Lawinenbildung beeinflusst. Diese Klimaveränderungen können in den kommenden Jahrzehnten zu einer erhöhten Lawinengefahr führen.

Experten gehen davon aus, dass die Zahl der extremen Winterereignisse durch den Klimawandel steigen könnte. Höhere Temperaturen führen zu instabileren Schneeschichten, die bei starkem Wind und hohen Schneemengen leichter abrutschen. Zudem wird befürchtet, dass durch den Klimawandel die Schneefallgrenze steigt, was bedeutet, dass mehr Regen als Schnee fällt, wodurch die Schneedecke weiter destabilisiert wird.

Die Ereignisse des Winters 1999 haben verdeutlicht, dass präventive Massnahmen zur Lawinensicherheit unerlässlich sind, um den Schutz von Menschenleben und Infrastruktur zu gewährleisten.

Fazit

Der Lawinenwinter 1999 war eine der schwersten Naturkatastrophen in den Alpen und forderte Dutzende Menschenleben. Die gigantischen Schneemengen, die in wenigen Wochen fielen, führten zu verheerenden Lawinenabgängen, die Dörfer zerstörten und die Infrastruktur in weiten Teilen der Alpen zum Erliegen brachten. Die Ereignisse dieses Winters haben gezeigt, wie wichtig präventive Massnahmen, moderne Vorhersagesysteme und effektive Evakuierungspläne sind, um zukünftige Katastrophen zu verhindern.

Die Auswirkungen des Lawinenwinters 1999 sind bis heute spürbar, und die Katastrophe hat das Bewusstsein für die Gefahren, die in den Alpenregionen lauern, nachhaltig geprägt. Der Klimawandel stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, die zeigt, wie wichtig es ist, die Alpen weiterhin vor den Gefahren von Lawinen zu schützen.